Eurovision Song Contest – Was soll das?

Jetzt aber mal ehrlich! Ich war bestimmt nicht der Einzige der von seiner Freundin mit zum Rudelgucken des Eurovision Song Contest geschleift wurde, auch wenn heute natürlich keiner mehr zugeben wird, dass er dieses fragwürdige Spektakel gesehen hat. Aber ok, die Bundesligasaison war eh gerade beendet und eigentlich konnte man diesem europäischen Sangesfest sowieso nicht entgehen, da jede Kneipe die was auf sich hielt und nicht fest in der Hand trunkener BVB-Anhänger war, leinwand- und soundtechnisch voll aufgerüstet hatte. Die öffentlich rechtlichen Medien hatten uns schon seit Wochen gut vorbereitet und spätestens bei unser aller lovely Lena glänzte jeder, enthusiastisch den Sektkelch schwenkend, durch Textfestigkeit (“genommen von nem Fremden”…häh?).

Düsseldorf spielt daheim auswärts

Und es war ja auch alles sooo toll angerichtet! Fortuna Düsseldorf hatte man für die letzten Heimspiele mal schnell ein neues Stadion errichtet, da die Arena ja für dieses kulturelle Großereignis gebraucht wurde. Das Rahmenprogramm in Düsseldorf setzte direkt mit der Gründung der Stadt ein und die Vorausscheidungen, Halbfinals und was weiß ich denn, kurz nach dem letzten Weltkrieg. Na ja, jetzt wird mir immerhin klar, wo meine Gebühren sinnvoll eingesetzt werden. Deutschlands Show-Affen gab sich die Klinke in die Hand und jeder Promi der nicht bei drei auf dem Baum war konnte einen raushauen. So far, so good.

Aber, was dann geschah toppte alles. Die Zeit verging wie im Flug und schon waren sämtliche Songs, ohne einem richtig weh zu tuen (der Beitrag Moldawiens, der sich irgendwo zwischen Folk-Punk, Chili Peppers und lustigen Hüten bewegte sei einmal ausgenommen), am Ohr vorbeigerauscht. Welche Kriterien müssen eigentlich erfüllt werden um an diesem Event teilnehmen zu dürfen? Die zur Schau getragene Kleidung erinnerte weitestgehend an eine Kinderkostümfest unter Blinden (ohne unseren kleinen zu nahe treten zu wollen). Dümmliche Ansagen in teils radebrechendem Englisch (zwischen den Songs haben die Angelsachsen wahrscheinlich immer schnell den Ton abgedreht) kollidierten mit Bühnenshows die am ehesten noch mit den Hüpfburgaktivitäten Fußkranker auf einem Seniorenheim-Fest zu vergleichen waren.

Spannung pur

Dann kam es zur mit Spannung erwarteten Punktevergabe (gähn!) und es war eigentlich wie immer: Unsere Nachbarn ließen uns punktemäßig verhungern (ok, da waren zehn Punkte aus Österreich) und die ehemaligen Ostblockstaaten schacherten sich die 12er zu. Witzig fand ich ja auch zu sehen, dass unsere Freunde von der Insel, wo im Fußball jede Grafschaft ein eigenes Nationalteam stellt, im Finale mal mit geballter Commonwealth-Power als Großbritannien auftraten. Es wurde spät, die BVB-Fans in den Straßen drehten zur gefühlten fünften Halbzeit auf, “and the winner is Aserbaidschan” (die knöpft sich dann mal unsere Nationalmannschaft vor). “Running Scared”, so fühlte ich mich auf dem Heimweg wohl auch.

Geschockt war ich dann am nächsten Morgen, als mir im Radio der Siegersong zum Frühstück kredenzt wurde. Übelster Pathos-Mainstream, vor Schmalz triefend und bestimmt per Zufallsgenerator mit dem Compy komponiert und mit ner ordentlichen Portion Human-Touch (sie 32, Mutter, sucht) versehen. Aua, aber bestimmt toll gemacht!

Was lernen wir aus dieser Erfahrung? Oder, wie Herr Bert dereinst fabulierte:”Was soll das?”. Mädels, beim nächsten Rudelgucken schauen wir dann doch besser wieder Fußball, mit Toren statt Punkten und Bier statt Sekt und Aserbaidschan ist dann auch schon weg….Frauen-WM…

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