Die Böse Überraschung – Ab Januar 2012 entfällt der Pfändungsschutz für Sozialleistungen

Viele Empfänger von Sozialleistungen werden am Jahresanfang eine böse Überraschung erleben. Sie bekommen den sprichwörtlichen Geldhahn abgedreht.
Von der Öffentlichkeit fast unbemerkt tritt ab Januar 2012 eine Änderung in Kraft, die Empfänger von  Sozialleistungen wie Hartz IV oder ALG II existenziell bedrohen kann, wenn Sie nicht fühzeitig Ihr Girokonto in ein sogenanntes P-Konto umgewandelt haben.

Wir haben aus diesem Grund ein kurzes Interview mit dem bekannten Kölner Rechtsanwalt und Schuldnerberater Max Postulka geführt, um über das sogenannte P-Konto und die aktuellen Änderungen im Pfändungschutz zu sprechen.

WebbR: Herr Postulka, ich freue mich, dass sie meiner Einladung nachgekommen sind. Können sie zu Beginn vielleicht einmal kurz erklären, worum es sich hierbei überhaupt handelt und für wen dieses Konto von besonderem Interesse ist?
RA Max Postulka: Ich bedanke mich zunächst ganz herzlich für die Einladung. Bei dem neuen Pfändungsschutzkonto, dem P-Konto handelt es sich um ein normales Girokonto, jedoch mit einem wesentlichen Unterschied: Sobald eine Pfändung auf dem Konto eingeht, wird das Konto nicht komplett gesperrt, sondern es bleibt dem Inhaber immer ein gewisser Betrag, über den er trotz Pfändung weiter verfügen kann.

WebbR: Nun liest man in letzter Zeit immer wieder, dass man sich noch in diesem Jahr ein P-Konto einrichten lassen soll. Warum diese Eile? Was ändert sich ab dem 01.01.2012?
RA Max Postulka:   Das ist richtig. Eile ist geboten, da der bisherige Pfändungsschutz für Kontoguthaben zum 01.01.2012 komplett wegfällt. Pfändungsschutz für Kontoguthaben gibt es dann nur noch für Inhaber eines P-Kontos. Wenn man also Inhaber eines gepfändeten Kontos ist, muss man das Konto so schnell wie möglich umwandeln lassen, sonst sind ab dem 01.01.2012 keine Verfügungen über das Guthaben mehr möglich.

WebbR: Wie ist denn die momentane Gesetzeslage? Dürfen eventuelle Gläubiger bereits jetzt auf mein Girokonto zugreifen?
RA Max Postulka:  Ja, bisher ist es so, dass eine Pfändung des Girokontos bereits möglich ist. Allerdings ist selbst nach einer Kontopfändung eine Verfügung über das Guthaben auf dem Konto innerhalb von 14 Tagen möglich, wenn es sich bei dem Guthaben um Sozialleistungen, beispielsweise ALG 2 oder Hartz IV handelt, ohne dass man sich um etwas kümmern muss.
Bei allen anderen Zahlungseingängen erfolgt nach einer Kontopfändung eine komplette Sperrung des Kontos und eine Verfügung ist nur möglich, wenn ein gewisser Betrag vom Vollstreckungsgericht freigegeben wird. Man muss also nach jeder Pfändung zum Vollstreckungsgericht und eine Freigabe eines Teilbetrages beantragen, andernfalls bleibt das Guthaben gesperrt und wird an den Gläubiger, der die Pfändung veranlasst hat überwiesen. Diese Möglichkeit und auch bestehende Freigaben fallen zum 01.01.2012 komplett weg.

WebbR: Was raten sie unseren Lesern? Sollte man im Falle von Schulden als Sozialleistungsempfänger noch in diesem Jahr eine Umwandlung beantragen?
RA Max Postulka:  Eine Umwandlung sollte in jedem Fall noch in diesem Jahr beantragt werden, wenn das Konto zur Zeit gepfändet ist oder eine Pfändung akut droht.
Wird das Konto nicht umgewandelt, ist eine Verfügung ab dem 01.01.2012 nicht mehr möglich, selbst wenn es sich um Sozialleistungen handelt.  Es kann dann sogar drohen, dass das Guthaben sofort komplett an den Gläubiger überwiesen wird, weil der bisherige Pfändungsschutz sofort wegfällt und der neue noch nicht eingerichtet ist.
WebbR: Wie hoch sind die Freibeträge ab 2012? Gibt es in diesem Kontext gesetzliche Mindestwerte?
RA Max Postulka:  Ja, die gibt es zum Glück. Nach der Umwandlung des Kontos in ein P-Konto ist automatisch ein Grundfreibetrag in Höhe von 1.028,89 € monatlich vor Pfändungen geschützt. Bis zu dieser Höhe kann dann immer über Zahlungseingänge verfügt werden. Dieser Grundfreibetrag der automatisch nach der Umwandlung vorhanden ist, kann erhöht werden, wenn Unterhaltsverpflichtungen bestehen oder Sozialleistungen wie zB Hartz IV-Leistungen oder Kindergeld auch für andere Personen auf das P-Konto gezahlt werden. Es kann dann für die erste weitere Person ein Freibetrag in Höhe von 387,22 € und für jede weitere Person ein Freibetrag in Höhe von 215,73 € eingerichtet werden. Zusätzlich kann ein Freibetrag in Höhe des Kindergeldes eingerichtet werden. Reichen diese pauschalierten Freibeträge ausnahmsweise nicht aus, weil ein höheres Arbeitseinkommen erzielt wird, kann auch nach einer Pfändung eine individuelle Freigabe beim Vollstreckungsgericht beantragt werden.

WebbR: Doch wie genau kann man denn ein P-Konto einrichten? Kann ich einfach zu meiner Hausbank gehen?
RA Max Postulka:  Typische Antwort eines Juristen: Es kommt drauf an.
Sind Sie Single können Sie einfach zu Ihrer Bank gehen und mit Ihrem Sachbearbeiter besprechen, dass Ihr bestehendes Konto zukünftig als P-Konto geführt werden soll. Das P-Konto sollte nur als Guthabenkonto geführt werden, da nur ein Guthaben geschützt wird. Nachdem Sie das so mit Ihrem Sachbearbeiter der Bank oder Sparkasse besprochen haben, wird das Konto umgewandelt und es besteht automatisch Pfändungsschutz in Höhe von 1.028,89 €.
Haben Sie Unterhaltsverpflichtungen gegenüber weiteren Personen (zB ggü. dem Ehegatten oder Ihren Kindern) oder sollten Sie Sozialleistungen für andere Personen erhalten, sollten Sie vor der Umwandlung die sogenannte P-Konto Bescheinigung beantragen. Mit der P-Konto-Bescheinigung werden die weiteren Freibeträge (387,22 € für die erste weitere Person und 215,73 € für jede weitere) bei der Umwandlung des Kontos in ein P-Konto direkt berücksichtigt. Ohne die P-Konto-Bescheinigung besteht sonst nur der Basisschutz von 1.028,89 €, der wäre dann viel zu gering. Sobald Sie die Bescheinigung haben, gehen Sie mit der P-Konto-Bescheinigung direkt zu Ihrer Bank und wandeln dann das Konto in ein P-Konto um. Eigentlich müssen Sie dann nur die P-Konto-Bescheinigung vorlegen.

WebbR: Wie lange dauert eine Einrichtung resp. Umwandlung des Giros in ein P-Konto in der Regel? Gelingt das überhaupt noch dieses Jahr?
RA Max Postulka:   Ja. Jede Bank oder Sparkasse ist gesetzlich verpflichtet ein bestehendes Konto in ein P-Konto innerhalb von 4 Tagen umzuwandeln. Die P-Konto-Bescheinigung, die man für die erweiterten Freibeträge benötigt, kann online bei mir unter www.pkonto.biz beantragt werden und ist in der Regel innerhalb von 48 Stunden bei Ihnen. Dort findet man auch eine Übersicht über die jeweiligen Freibeträge und weitere hilfreiche Informationen.
Zeit genug bleibt also, aber die Zeit drängt.

 

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