Wenn es nach den EU-Finanzministern geht, sollen zukünftig ungedeckte Leerverkäufe auf höchst spekulative Aktien sowie Staatsanleihen unterminiert werden. Auf diesen Konsens einigten sich die Vertreter der Länder am Dienstag in Brüssel. Diese Art von Finanzgeschäften seien hierbei Gift für die Wirtschaft.
Der Term Leerverkäufe rückte erstmals mit der beginnenden Finanzkrise vor zwei Jahren in den Fokus der Gesellschaft. Doch was genau sind Leerverkäufe, und worin unterscheiden sich sog. gedeckte und ungedeckte Leerverkäufe?
Beiden Formen ist gleich, dass der Spekulant das jeweilige Wertpapier nicht besitzt. Ferner spekuliert derjenige in beiden Fällen auf fallende Kurse des Wertpapiers. Der essentielle Unterschied liegt nunmehr darin, dass der Anleger im Falle der gedeckten Leerverkäufen sich die Aktie vom Eigentümer leiht. Hierfür bekommt dieser wiederum eine Leihgebühr. Im Folgenden verkauft der Spekulant die geliehene Aktie wieder und hofft auf sinkende Kurse des jeweiligen Wertpapiers. Sofern dieser gewünschte Umstand eintrifft, kann er die Aktie zum Liefertermin wieder günstiger einkaufen und dem Eigentümer zurückliefern. Den Gewinn erzielt er somit aus der Differenz zwischen Ver- und Einkauf des Wertpapiers. Sollte die Aktie indes steigen, macht der Anleger Verluste. Anhand einer Beispielrechnung kann dies verdeutlicht werden:
Beispielrechnung für einen Leerverkauf
Herr Mustermann will 1000 Aktien der Musterfrau AG kaufen, da er davon ausgeht, dass diese in den nächsten Tagen fallen. Die Aktie liegt momentan bei 100 €, was einen Paketpreis von 100.000 macht. Im nächsten Schritt muss Herr Mustermann einen Aktienbesitzer finden, der diese Kapazitäten der Musterfrau AG in seinem Depot hat. Leider hat Herr Mustermann keine 100.000 zur Hand, sodass er nur einen Teil des Pakets in Form einer Leihgebühr bezahlt, beispielsweise 5000€. Nachdem dieses Geschäft getätigt ist, verkauft Herr Mustermann die Aktien am Markt für 100.000, gleichwohl muss er innerhalb einer bestimmten Frist die geliehenen Aktien dem Eigentümer wieder verkaufen. Sofern er nun richtig spekuliert hat und die Aktie um z.B. 10% auf 90 € fällt, kann er die geforderten 1000 Aktien für 90.000 € zurückkaufen und erzielt somit einen Erlös von 10.000 Euro, was abzüglich der 5000€ Leihgrbühr ein Reingewinn von 5000€ für Herrn Mustermann bedeutet.
Ungedeckte Leerverkäufe
Bei den ungedeckten Leerverkäufen haftet der Spekulant nunmehr gänzlich ohne Eigenkapital, sodass diese Form ein reines Spekulationsgeschäft darstellt. Der Spekulant besitzt das Wertpapier im Gegensatz zum gedeckten Leerverkauf zu keiner Zeit. Es ist so unsinnig wie es erscheint: Der Spekulant verkauft etwas, was er gar nicht besitzt! Er verpflichtet sich lediglich die Aktie XY zu einem bestimmten Zeitpunkt an den Käufer zu liefern. Hierdurch kann der Spekulant weitaus mehr Aktien veräußern als es bei den gedeckten Leerverkäufen der Fall ist, wodurch häufig sog. virtuelle Aktien generiert werden, die nicht real existent sind. Läuft die Frist nunmehr ab, die den Spekulanten zur Lieferung des Wertpapiers verpflichtet, ist es möglich, dass er hiermit in Verzug gerät, da der Deckungserwerb zuvor nicht geregelt wurde. Da auch Leerverkäufe in die Kursfeststellung miteinbezogen werden, kann durch das Schaffen virtueller Aktien der Kurs eines Wertpapiers immens beeinflusst werden, da der Verkauf größerer Pakete den Kursverfall in horrendem Maße protegiert. Diese Variante ist in der Regel nur großen Unternehmen, wie Banken oder Versicherungen, vorbehalten und letztlich sind es genau diese Geschäfte, die den Markt verzerren und eminent schädigen können.
Die Macht der Leerverkäufe
Das Perfide an diesen Finanzgeschäften ist die Tatsache, dass bewusst auf den Kursverfall von Unternehmen, Staaten und Währungen spekuliert wird und somit deren Existenz stark gefährdet wird. Sehr gut auszumachen, ist dies im Fall Griechenlands. Hier wurde sukzessive auf die Pleite des Staates spekuliert, was einerseits durch die beschriebenen Leerverkäufe und andererseits durch den Kauf von CDS erfolgte.
Hierunter versteht man Kreditausfallversicherungen (sog. CDS= Credit Default Swaps). Diese dienen in ihrem Ursprung dem Besitzer von Staatsanleihen als Vorsorgeinstrument, falls ein Staat zahlungsunfähig wird. Im Falle dessen bezahlt ihm der jeweilige Versicherungsgeber (häufig Banken) den Schaden. Für diese Versicherung muss der Anleger natürlich eine Versicherungsprämie leisten. So weit so gut. Gleichwohl können nicht nur Besitzer einer Staatsanleihe eine CDS kaufen. Prinzipiell steht es jedem offen, auch ohne den Besitz der Anleihen, eine derartige Kreditausfallversicherung zu kaufen. Somit erhält man im Falle des Staatsbankrotts Schadenersatz, obwohl man gar keine Staatsanleihen des jeweiligen Landes innehatte. Das Problem hierbei ist, dass der Kurs der CDS umso höher steigt, desto mehr verkauft werden, was wiederum weiter steigende Kurse präsumiert und letztlich weitere CDS-Käufe bedingt. Gleichwohl schürt ein erhöhter CDS-Kauf an den Märkten den Eindruck, dass ein Land kurz vor der Pleite stünde, was wiederum dazu führt, dass die Staatsanleihen abgewertet werden und das Land weiter an Vertrauen verliert. In diesem Stadium ist es für das Land äußerst schwierig seine Anliehen an Investoren zu verkaufen, was häufig nur unter Gewährung enormer Renditen möglich ist und dem Staat somit weitere Kosten verursacht anstelle einer Konsolidierung. Darüber hinaus müssen derartige Länder weitaus höhere Zinsen für Kredite aufbringen, was ebenfalls eine Zuspitzung der finanziellen Schieflage hervorruft.